Erster Tag in Nairobi

Die erste Nacht im Slum Kairobangi in Nairobi war wenig erholsam. Die eigentlich unbegründete Angst vor Malaria, die fremden Geräusche, die vielen Eindrücke von der Fahrt durch die Slums trugen nicht gerade zu einem ruhigen Schlaf bei. Doch gleich am Morgen durften wir die Heilige Messe in der Kirche neben dem Konvent besuchen. Die Messe wird  ganz anders als bei uns gefeiert, viel lauter, viel emotionaler. Es war wirklich schön und berührend, einer afrikanischen Messe beiwohnen zu dürfen. Nach dem Frühstück holten uns Aldona und Stefan zur ersten Besichtigung der Projekte ab. Die zwei Oberösterreicher arbeiten seit 2013 in den Slums als Leiter der Fußballakademie und Leiterin des Sozialzentrums und wissen einiges über das Leben hier zu berichten. Wenn man so durch die Straßen wandert, glaubt man kaum, dass hier Menschen leben können. Die Straßen erstarren vor lauter Müll und Dreck, die Abwässer rinnen mitten durch die Slums, überall sind die Kinder und Tiere auf der Straße.

 

Wir besichtigen als erstes die Fußballakademie, die an die Damascus School angebaut ist. Sie ist klein aber sauber, die Kinder haben zwei Umzieh- und Waschräume. Es ist ständig Bewegung rund um die Akademie, obwohl es sonntags ist. Die Kinder kommen und gehen, man merkt, hier fühlen sie sich wohl, hier sind sie schon ein Stück weg zu Hause. Während unserer Besprechung über den Projektverlauf kommt plötzlich ein kleines Mädchen von ca. drei Jahren herein. Nachdem sie Marion und mich ausgiebig inspiziert hat, huscht sie sofort auf Stefans Schoß und geht da nicht mehr runter. Er erzählt uns, dass sie noch nicht spricht, nur ein Wort weiß sie schon: „YESYES“ Deswegen wird sie von allen so genannt. Sie bleibt während der ganzen Besprechung, niemand scheint das dreijährige Mädchen zu vermissen. Lautstark übt sie ihr einziges Wort, yes yes, sie ist einfach entzückend.

 

Nach einem Gespräch mit dem Direktor der Primary Schule machen wir uns auf den Weg zur Dumping Side. Hier könnten wir als Europäer niemals allein hineingehen, nur durch die Anwesenheit vom Pastor Idaki sind wir sicher. Ich habe nicht gedacht, dass es noch eine Steigerung der katastrophalen Zustände in einem Slum geben kann, aber ich wurde bei unserem Spaziergang eines Besseren belehrt. Ich habe das Gefühl, dass Tausende Menschen auf einem winzigen Fleck leben. Stefan erklärt mir, dass in Korogocho 120.000 Menschen auf nur einem Quadratkilometer leben. Das ist für uns unvorstellbar, Menschen leben dicht an dicht gedrängt in winzigen Baracken aus Wellblech oder Karton. Diese Hütten, nicht größer als 3x3 Meter, sind das zu Hause von bis zu 10 Personen.

Korogocho liegt an der größten Mülldeponie Nairobis. Ich habe schon oft darüber gelesen, Bilder gesehen und es ist jedes Mal sehr emotional, Kinder zwischen den Bergen von Müll nach Lebensmitteln suchen zu sehen. Wenn man allerdings diese unvorstellbaren Zustände mit eigenen Augen sieht, ist man sprachlos, verwirrt, wütend, machtlos, oder einfach nur unendlich traurig. Wie kann es sein, dass in einer Welt wo jeder Mensch genug zu essen haben könnte, Kinder zwischen stinkenden Müllbergen mit den riesigen Aasgeiern um verdorbene Essensreste streiten müssen? Die Luft ist verpestet, ich atme nicht mehr durch die Nase ein, ehrlich gesagt, kann ich diesen grausigen Gestank kaum ertragen. Die kleineren Brände machen die Menschen zusätzlich krank. Es ist ein grauenhafter Ort und ich schäme mich stellvertretend für alle Nationen, Politiker und Menschen, die nicht bereit sind, an dieser Situation etwas zu ändern.

 

Zurück von der Müllhalde sehen wir dann wieder kleine Lichtblicke, in Form der Schulen, die auch mithilfe der Caritas finanziert wurden. Wir besuchen die Lehrbäckerei, welche gerade dabei ist, in Betrieb zu gehen. Hier kann man wieder erkennen, dass unser Einsatz den Menschen wirklich hilft, dass sie unsere Hilfe auch erreicht.

 

Nach einem sehr aufwühlenden ersten Tag mitten im Slum von Korogocho besuchten wir direkt im Konvent der Schwestern das Altersheim für Menschen, um die sich keiner kümmert. Sr. Ivana ist selbst schon fast 80 Jahre und leitet das Heim mit einer Hingabe und kämpft unermüdlich um finanzielle Zuwendungen, damit sie die alten Menschen ersorgen kann. Es gibt über 40 ständige Bewohner des Heims und über 100 Tagesbesucher, weil sie hier verköstigt werden. Es ist schön zu sehen, dass sich wenigstens jemand um diese Menschen kümmert.