Sonntag, 10. April

Am Sonntag feierten wir mit der Pfarrgemeinde ihren Gottesdienst – wieder mit viel Gesang und Trommelklang, wieder zeitlich ausgiebig und in einer herzlichen und zugleich festlichen Atmosphäre. Ich war etwas verwundert, dass die Kirche nicht ganz voll war, zumal am Samstagnachmittag an die 100 Kinder und Jugendliche uns zuerst ihre Trommelkünste und Tänze vorführten, mit uns dann die Gegend erkundeten und wir die Frauengruppe mit mehreren Dutzenden Mitgliedern erlebten. Ich fragte Fr. Philip nach dem Grund. Er erzählte mir, dass die Nomaden, die sich in der Pfarre angesiedelt haben, durchwegs Anhänger ihrer traditionellen Naturreligion sind. Er wolle daher weder Erwachsene noch Kinder einfach taufen. So gäbe es nur zweimal jährlich – zu Weihnachten und zu Ostern – nach einer längeren Vorbereitungszeit die Möglichkeit zur Taufe. Er gehe auch davon aus, dass die Kinder selbst darüber entscheiden würden. Die pfarrlichen Gruppen der schon getauften und überaus engagierten Katholiken seien aber selbstverständlich für alle offen. Es gehe schließlich um die Menschen, die sich in der Region ein menschenwürdiges Leben aufbauen sollten.

Und diese Menschen mussten wir gleich nach der Messe wieder verlassen – einfache Männer und Frauen, einige uralt anmutend, die meisten aber jung. Ich habe noch nie auf meinen Reisen so viele Kinder gesehen wie in Kojido. In Uganda liegt das Durchschnittsalter der Bevölkerung bei 15 (!) Jahren, in Österreich vergleichsweise bei 43, und in Kojido liegt es noch darunter, sagt mir mein Gefühl. Und ich höre schon die Bemerkungen zu Hause: „Was müssen die so viele Kinder haben? Sind selber schuld, wenn sie nichts zu essen haben!“ Mein Gefühl sagt mir das Gleiche, aber: Wenn es für das Alter überhaupt keine öffentlichen Sozialleistungen gibt und die Kinder zu Recht als einzige Altersversicherung angesehen werden – zudem immer noch ziemlich viele Kinder sterben – haben wir das Recht, denen zu sagen, wie viele Kinder sie haben dürfen? Die Erfahrung zeigt, dass auch in Entwicklungsländern die Kinderzahl sehr schnell sinkt, sobald der Wohlstand steigt. So sehen wir gerade in den vielen Kindern sehr wohl die Zukunft der Region und wollen so viel wie möglich in diese Zukunft investieren.

Mit solchen Gedanken machten wir uns wieder auf den Weg nach Süden . Und zwar mit dem Auto, weil wir keinen Platz im kleinen Flugzeug bekamen. Und mit zwei ,,Platten“ und der Fahrt durch starke Gewitter, die in uns die Hoffnung nährten, dass es auch in Lyora regnet. Nach zehn Stunden Fahrt kamen wir um 21.00 Uhr in Jinja am Viktoriasee im Ausbildungszentrum der Mill-Hill-Brüder an.

Montag, 11. April

Heute hatten wir zum Ausklang noch einiges an Sightseeing am Plan. Aber bis auf etwa eine Stunde Shopping in Jinja und später in Kampala wurde nichts daraus. Schon für die relativ kurze Strecke von Jinja nach Kampala brauchten wir nämlich mehrere Stunden, weil es zum Teil nur im Schritttempo weiterging. Zum Mittagessen besuchten wir die bosnische Schwester Vedrana aus der Schwesterngemeinschaft, mit der wir Projekte im Süden Ugandas betreiben und die nun von der Generalleitung in Rom den Auftrag bekam, nach Karamojo zu gehen. Für Pater Philip, der inzwischen der Obere der Mill-Hill Brüder für Ostafrika geworden ist, war das eine überraschende und sehr erfreuliche Nachricht. Er hat sich während der letzten Jahre mit viel Anstrengung um die Ansiedlung einer weiteren Schwesterngemeinschaft in Koromojo bemüht. Und nun scheint es wirklich dazu zu kommen. In Kampala selbst betreiben die Schwestern ein interessantes Projekt. Sie nehmen Mädchen, die keine abgeschlossene Schulbildung haben, in ihr Haus auf und bilden sie in vier Monaten zu Haushaltshilfen aus. Dann vermitteln sie sie an die zahlreichen Interessenten, die den Schwestern vertrauen und die die jungen Mädchen oft weit überbezahlen, weil sie gute Arbeit leisten. Überbezahlen heißt in dem Fall, ihnen 100 Dollar im Monat zu bezahlen, was immerhin mehr ist als ein Lehrer bekommt, wobei etwa Benzin und Diesel gleich viel kosten wie in Österreich.

Dann wollten wir noch Kampala kennenlernen und in Entebbe, wo sich der Flughafen der Stadt befindet, endlich den Viktoriasee erleben, aber wir saßen für 50 Kilometer wieder einen halben Tag im Auto, weil alle Straßen hoffnungslos verstopft waren. Die Straßen und die Straßenordnung halten den explodierenden Autozulassungen bei Weitem nicht stand. So wie auch bei uns gibt es eine enorme Zuwanderung in den Städten, die Strukturanpassungen nötig machen und die Landregionen verarmen lassen. Wir haben gesehen, dass von Kampala nach Entebbe eine vierspurige Schnellstraße geplant bzw. schon gebaut wird. Wir haben aber auch gesehen, dass links und rechts der jetzigen Straße Hunderte von Verkaufsbuden stehen und viele junge Straßenhändler mit den im Stau stehenden Autofahrern ihre Geschäfte machen. Die Buden werden entfernt, den Verkäufern ihr Geschäftsfeld entzogen, neue Arme produziert. Und unser Engagement wird wohl noch lange gefragt sein in Uganda.