Freitag, 9. Juni 2017

Nach dem letzten Frühstück im für meine Begriffe etwas zu schönen Hotel haben wir uns zum Wilson Airport aufgemacht, um ans eigentlichen Ziel der Reise im Norden Kenias zu gelangen. Von dort starten kleine Flugzeuge ins ganze Land, um denen, die sich es leisten können, die beschwerliche Autoreise über meist unasphaltierte Strassen zu ersparen. Wir hatten Pech mit unserem Taxifahrer, der zweimal die falsche Straße gewählt hat und dann im Stau stecken blieb, sodass wir 20 Minuten vor dem Abflug wirklich nervös wurden, aus dem Taxi ausstiegen und zu Fuß schneller am Ziel waren als im Taxi. Wir merkten aber beim Einchecken, dass unser spätes Ankommen hier niemand aufregte und sahen mit Verwunderung, dass der letzte Gast ganz locker genau drei Minuten vor dem Abflug aus dem Taxi stieg und sich der Flug dadurch verzögerte. So wie im Vorjahr in Uganda sprach der Pilot auch heute nach der Begrüßung und einigen Sicherheitsinformationen ein freies Gebet um einen guten Flug, dafür kommt er dann ohne Kopiloten aus.

Der Flug war wieder sehr schön – wenn man da keine 1000 Meter hoch über das Land fliegt, fragt man sich schon warum die äußeren Lebensmöglichkeiten so ungerecht aufgeteilt sind – wir überflogen sehr fruchtbares Land, dann aber auch trockene Gebiete, um dann über dem Urwald im Nationalpark Marsabit wieder herrliches Grün auszumachen.

Wir wurden von Mitgliedern unserer Partnerorganisation PACIDA abgeholt und zuerst in ihren Stützpunkt gebracht, wo die sehr professionell arbeitende NGO sich und ihre Arbeitsbereiche vorstellte. Nach dem Mittagessen machten wir uns mit einem modernen Toyota Landcruiser, auf dem die Donatoren, darunter Caritas Deutschland, aufgedruckt sind, auf den Weg nach North Horr. Die Fahrt sollte über 5 Stunden dauern und führte durch verschiedene Arten von Wüsten auf einer Straße, die sich manchmal auch verlor und zu einer Wüstenpiste wurde. Zunächst war es von der eben zu Ende gegangenen Regenzeit noch leicht grün zwischen den schwarzen Lavasteinen, die die Landschaft prägen, dann ging es über Geröllhalden bis zu einer Sandwüste und plötzlich war der Boden ganz weiß wie beim ersten Schnee in Österreich - aber es war Salz, und schließlich ging es eine Stunde über trockenen Schlamm mit vielen Autospuren weiter sodass auch wir kurz die Orientierung verloren, dann aber doch der richtigen Spur folgten die uns schon bei Dunkelheit in die Stadt brachte. Auf dem Weg begegneten uns keine 10 Autos, dafür aber viele Tiere, zuerst Herden von Ziegen und Kamelen, dann auch eine Gruppe großer wilder Strauße und schließlich kamen wir bei Kamelskeletten vorbei, den ersten Anzeichen, dass die Berichte über die drohende Hungersnot nicht erfunden sind.

Wir kamen an den ersten typischen runden Hütten vorbeifuhren wir sofort zur katholischen Pfarre, die rund um die Kirche aus einem ganzen Komplex an Gebäuden besteht und wo wir auch unsere diesmal sehr bescheidenen Zimmer bezogen. Dann wurden wir zum Abendessen geladen und hörten die ersten Berichte über die Menschen, deren Herden zuerst aufgrund der Dürre großteils verendet sind und die übriggebliebenen Tiere nach einem zweitägigen Starkregen fortgetrieben und getötet wurden. Darüber werde ich in den nächsten beiden Tagen wohl noch mehr hören. Ich sitze jetzt auf einer Betontreppe mit meinem Computer völlig im Finstern, es gibt nämlich keinen Strom, seit wir hier sind. Aber hier ist es bei ziemlich großer Hitze angenehm windig, am liebsten würde ich hier schlafen, aber das lassen wieder die Stechmücken nicht zu. Also doch lieber das heiße Zimmer mit Moskitonetz. Die ganze Zeit höre ich dem aus einer Moschee übertragenen Gesang zu, der sehr schön und beruhigend ist und mich wohl auch noch in den Schlaf wiegen wird. Ein schönes Wort vom Pfarrer wird mir im Gedächtnis bleiben. Er hat zuerst auf unsere Frage nach der Anzahl der Christen hier gemeint, dass er keine Ahnung hat, ob es mehr Christen oder Muslime gibt, er vermutet sogar, dass die Anhänger der traditionellen Religion hier die Mehrheit bilden. Aber er ist sehr froh, dass bei der Verteilung von Nahrung und anderer Dinge durch Hilfsorganisationen überhaupt keine Unterschiede gemacht werden und es keine Konkurrenz gibt unter den Religionen, im Gegenteil große Solidarität herrscht zwischen Christen und den muslimischen Brüdern, wie er sie genannt hat. Es war heute wie auch die ganzen bisherigen Tage noch nie der muslimische Terror Gesprächsthema, ich habe mich schon gefragt ob wir es nicht übertreiben mit der Aufmerksamkeit, die in Europa wir diesen negativen Meldungen entgegenbringen. Hier geht es wirklich um Leben oder Tod aller Menschen, da wird die Solidarität offenbar höher bewertet als Unterschiede und Dissonanzen.