Tag 3 - Enge der Stadt

"Während der Nacht fragte ich mich,wie viele Tage wir denn eigentlich schon in Albanien wären, so dicht war das Programm der letzten eineinhalb Tage und so ging es auch am letzten Tag weiter. In aller Früh fuhren wir in die Hauptstadt Tirana zu einem Kurzbesuch in der Niederlassung der Schwestern, einem kleinen und durch die vielen Zubauten verschachtelten Gebäude mitten in einem neuen Stadtteil mit sehr hohen Wohn- und Bürohäusern ohne jede soziale und religiöse Infrastruktur, das mit seinen vielen Aktivitäten aus allen Nähten platzt. Das Beste wäre, alles niederzureißen und neu aufzubauen. Ich stimme zu, kann mir aber wegen des großen Volumens keinen finanziellen Beitrag vorstellen. Ob nicht Ing. Posegger wieder die Bauleitung übernehmen könnte? Darüber könnte man reden, aber als erstes mit ihm!

Der österreichische Botschafter, der uns um 9.00 Uhr empfing, bestätigte, dass so ein österreichischer freiwilliger Bauleiter ein Glücksfall und die Spesen mehr als wert sei. Er zeigte sich sehr angetan von den Projekten der Don Bosco Schwestern und war interessiert an einer Kontaktaufnahme mit den Schwestern, die wir gerne vermittelt haben. Dann ging es in die Zentrale der Caritas Albanien, wo wir nicht nur freundlich empfangen wurden, sondern uns auch gleich zu Hause fühlten. Wir erfuhren viel über die Arbeit der Caritas, die sich als Institution einer Minderheitsreligion trotzdem aller Menschen in Not annehmen will - im Gegensatz zu den diakonischen Werken der Muslime, die sich ausschließlich um ihre Glaubensgenossen kümmern. Wir sprachen über die wichtigsten sozialen Probleme des zweitärmsten Landes in Europa und natürlich auch über Möglichkeiten der Unterstützung und Zusammenarbeit. Bevor wir abschließend gemeinsam eine Behindertenwerkstatt besuchten, die mit Hilfe der Caritas St. Pölten aufgebaut wurde, vereinbarten wir weitere Kontakte und gegenseitige Information über unsere Projekte.

Der Besuch in der Behindertenwerkstatt hinterließ in uns nochmals einen letzten nachhaltigen Eindruck von den gemeinsamen Aufgaben der Caritas wo immer sie mit ihrem Engagement Wunder wirkt. So spannend und bereichernd es ist, in Fremdsprachen (in Albanien hauptsächlich Englisch und Italienisch) zu kommunizieren, so wunderbar ist das selbstverständliche Verstehen mit Menschen mit Behinderung, die zwar mit einfacheren Mitteln, aber im Grunde doch mit ähnlich großem Herzen betreut werden wie in unseren Tageswerkstätten. Vielleicht können unsere Freunde in Albanien einmal in Kärnten an der Inclusia teilnehmen - es wäre wohl ein nie erträumter Höhepunkt in ihrem Leben.

Ein PS sei noch erlaubt: schon lange habe ich nicht mehr so gefroren wie diese Tage in Albanien. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt gibt es fast nirgends eine funktionierende Heizung. Das hieß überall mit Winterjacke unterwegs sein, vom Frühstück bis zum Abendessen, und trotzdem zu frieren. Ich sitze inzwischen wieder in der warmen Stube - die Freunde in Albanien frieren weiter!"

Bischofsvikar, Dr. Josef Marketz
Caritasdirektor